Wahl wurde 1967 in die Meisterklasse des damals bereits weltberühmt gewordenen Rudolf Hausner aufgenommen. Dort erlernte er die realistische, altmeisterliche Maltechnik, die er fortlaufend perfektionierte und zeit seines Lebens angewendet hat. Er benutzte seinen Hyperrealismus nicht, um Bekanntes nachzumalen, sondern um innere Zustände und Phantasien so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen. Der Betrachter wird dadurch nahezu körperlich bedrängt und gefesselt von seinen Gestalten und Erfindungen. Mit Helnwein, einem anderen weltbekannt gewordenen Schüler von Hausner, gründete er mit anderen die Künstlergruppe „ZÖTUS“. So unterschiedlich beider Arbeitsweisen auch waren, ein erkanntes Prinzip setzten beide in ihrer Kunst ein: Allein die Kunst hat die Fähigkeit, unbewusste Bereiche im Betrachter zu berühren und kann das reale Grauen in den Köpfen der Menschen freisetzen, was keine noch so intensive sprachliche Kommunikation vermag.
Wahl profitierte vom Dunstkreis und vom weltweiten Hype der Wiener phantastischen Realisten. Vor allem davon, dass sie gegen den Mainstream der Nachkriegskunst eine realistische Kunst wieder möglich gemacht hatten. Nach dem Krieg war der Marshallplan für die Kunst amerikanisch, gegenstandslos, informell, geometrisch. Jede Art von realer Darstellung von Welt und Menschen war verpönt, war doch hinter dem „Eisernen Vorhang“ realistische Kunst sogar verordnet. Damit wich die westliche Kunst aber auch einer Aufarbeitung eines durch den Krieg völlig zerstörten Menschenbildes aus. Wahl will nicht wegschauen. Er greift ein überkommenes Menschenbild frontal an und ist auf der Suche nach einem anderen. In welcher Härte er dabei vorgeht sieht man exemplarisch an seinen „orthopädischen Köpfen“. Damit unterscheidet er sich auch vom „Phantastischen Realismus“, deren Vertreter Hausner, Fuchs, Brauer, Hutter u. a. einschwenken auf genießbar Psychologisches, auf mythische Themen, kosmische Träume, alttestamentliche Fabeln oder apokalyptische Visionen.
Die öffentliche Vernissage am Donnerstag, den 13. Oktober um 19.30 Uhr bildet den Auftakt zur neuen Ausstellung in der Rathausgalerie Balingen, die sich bis 21. Januar 2023 den Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen von Jochen Wahl (1942 – 2007) widmet. Der Kurator Rudolf Greiner führt an diesem Abend in das Werk des Künstlers ein, der wenige Tage später seinen 80. Geburtstag gefeiert hätte.
Öffnungszeiten:
Montag – Donnerstag: 8:00 – 18:00 Uhr
Freitag: 8:00 – 13:00 Uhr
Samstag: 9:00 - 13:00 Uhr
Eintritt frei
Auf Grund der generellen Schließung des Rathauses ist die Ausstellung vom 24.12. - 31.12.2022 nicht zugänglich.
Ausstellungsdauer:
14. Oktober 2022 bis 21. Januar 2023
Rathaus Galerie Balingen, Färberstraße 2, 72336 Balingen